Donnerstag, 10. März 2016

Weide: sie kann was!

Die Weide


Den Wirkstoffen der Weide verdankt das Aspirin seinen Erfolg. Weidenrindenpräparate wirken gegen Schmerzen, Fieber und Entzündungen und helfen bei Rheuma – mit geringen Nebenwirkungen.



(Quelle: Wiki)


Die Weide ist eine vielgestaltige Pflanze. Nicht nur botanisch, sondern auch von ihren Wirkstoffen her. An ihr kann aufgezeigt werden, wie die Pharmakologie das Bouquet der vielen Inhaltsstoffe einer Heilpflanze auf eine analytisch beschreibbare und vermutete Hauptwirkform reduziert wird: Nämlich auf die Salicylsäure. Sie wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts synthetisch in chemisch veränderter Form – als Acetylsalicylsäure (ASS) – weltweit massenhaft hergestellt (50.000 Tonnen). ASS gilt als Universalmittel gegen Schmerzen und Fieber. 

Doch bei der Synthese wurde Wesentliches in der Heilpflanze zurückgelassen: Die Nebenwirkungsfreiheit. Wie sie tatsächlich fiebersenkend, antientzündlich und schmerzlindernd wirkt, bleibt weiterhin ein Geheimnis – dennoch ist ihre Wirksamkeit wissenschaftlich anerkannt.

Doch zunächst einen Schritt zurück. Die Weide gehört mit etwa 300-500 Arten zur grossen Familie der Weidengewächse (Salicacea). Durch die Botanik kann die Vielgestaltigkeit der Pflanze bildhaft vor Augen geführt werden: Denn noch nicht einmal in ihrem Aussehen will sie sich festlegen – sie wächst als Baum oder Strauch. Genauso verhält es sich mit ihren Blättern. Diese können rund, schmal oder lanzettförmig ausgebildet sein. 

Manchmal haben selbst Experten Schwierigkeiten bei der Bestimmung, weil sich leicht Bastarde entwickeln. Die einzige Gemeinsamkeit in der grossen Familie ist die Vorliebe für feuchten Untergrund. Die Pflanze ist in Europa, Asien und Nordamerika ansässig. Wobei sie sich mit Widerstands- und Anpassungsfähigkeit ihr Überleben sichert. Die Weide wächst sogar in alpinen Höhen als Zwergstrauch (Chamoetia=Untergattung, kriechende Sträucher). Findet die Weide optimale Bedingungen vor und wird nicht gefällt, kann sie sich zu einem stattlichen Baum von bis zu 30 Metern Höhe entwickeln.

Die Entdeckung: Salicin

In ihrer medizinischen Anwendbarkeit ist die Weide ebenso mannigfaltig. Selten gibt es Phytopharmaka, die gleich drei Wirkformen auf sich vereinen. Die Weide (Rinde) jedoch enthält fiebersenkende (antipyretisch), entzündungshemmende (antiphlogistisch) und schmerzlindernde (analgetisch) Wirkstoffe. In der traditionellen Volksmedizin wurde sie bis ins 18. Jahrhundert hinein breit eingesetzt. Durch neue naturwissenschaftliche Fähigkeiten und Techniken zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckten Chemiker einen besonderen Wirkstoff der Weidenrinde und isolierten ihn: Salicin

Es wurde mühsam aus Weidenrinden extrahiert. Schnell zeigte sich, dass dieses Schmerzmittel keinen Erfolg haben konnte: Zum einen war es stark brechreizerregend zum anderen zeichnete sich bald eine Rohstoff-Knappheit ab. Denn Weidenzweige dienten damals vorwiegend zur Herstellung von Flechtwaren (Körbe, Kiepen, beim Bau von Fachwerk). Dem Chemiker Hermann Kolbe (1818-1884) gelang ein Ausweg: Er schaffte die elektrolytische Herstellung von Salicylsäure und schuf die Möglichkeit für eine kostengünstige, synthetische Herstellung des Wirkstoffs. Doch auch seine Nebenwirkungen (Magenschädigungen, Blutungen) erwiesen sich als untragbar.

 Erst als 1897 Felix Hoffmann gelang, die Salicylsäure in Acetylsalicylsäure (ASS) umzuwandeln (damit die schweren Nebenwirkungen abzumildern) und in Reinsynthese herzustellen, war der Siegeszug des extrahierten Wirkstoffs der Weide (bekannt unter Aspirin) nicht mehr aufzuhalten.

Volksmedizinische Anwendungen:

Schon die alten Ägpter haben der Nachwelt hieroglyphische Weiden-Rezepturen gegen schmerzhafte Wunden, Entzündungen und Schwellungen hinterlassen. Hippokrates (460-377 v. Chr.) empfahl Weiden-Aufgüsse gegen Gelenkentzündungen oder Fieber. Dioskurides (1. Jahrh. n. Chr.) hatte eine „zusammenziehende“ Wirkung (adstringierend) beobachtet und verordnete Weide in gepulverter oder wässriger Form gegen Blutspeien, Ohren- oder Augenleiden.

 Von den Germanen und Kelten berichteten römische Geschichtsschreiber, dass die Barbaren Weidezweige auskochten. Die wässrigen Auszüge wurden dann getrunken oder als Umschläge gegen schmerzende Glieder oder schlecht heilende Wunden eingesetzt.

Zur Schmerzbehandlung und Blutverdünnung

Heute werden ASS-Präparate als Universalmittel zur allgemeinen Schmerzlinderung, bei vorübergehenden Unpässlichkeiten, Kopfweh oder bei Fieber eingenommen. Sie sind im OTC-Arzneimittelmarkt (Over the Counter) rezeptfrei zur Selbstmedikation verfügbar. ASS-Präparate sind aber auch Teil der medizinischen Behandlung von chronisch schmerzhaften Erkrankungen des Bewegungsapparates oder werden langfristig als „Blutverdünner“ zur Vorbeugung von Zweitinfarkten des Herzens eingenommen („Sekundärprophylaxe“). Ärztlich verordnet wird ASS bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreis, bei degenerativen oder entzündlichen Gelenkerkrankungen (Arthrose, chronische Polyarthritis), Wirbelsäulen- (Morbus Bechterew) oder weichteilrheumatischen Erkrankungen (Fibromyalgie).

Schwere Nebenwirkungen inbegriffen

In Deutschland Millionen Betroffene. Eine kausale Heilung ist heute, trotz intensiver Forschung, immer noch ausgeschlossen. Rheumatiker erhalten individuelle, symptomatische Therapien, da sich die Erkrankung sehr unterschiedlich darstellt. Rheuma-Initiativen empfehlen eine möglichst frühe Therapie, um so die Chance auf ein normales Leben zu erhöhen. Grundsätzlich wird zwischen einer Akut-Therapie (schmerzlindernde, entzündungshemmende Medikation) und einer Langzeit- oder Basis-Therapie (Versuch langfristig die Entzündungsprozesse zu stoppen, z. B. mit Immunsuppressiva) unterschieden. In milderen Fällen wird meistens auf nicht-sterodiale Antirheumatika (NSAR) gesetzt, die Entzündungen und Schmerzen hemmen. Ihr grosser Nachteil: Sie greifen die Magen-Darmschleimhaut an, können Nieren schädigen und/oder den Blutdruck erhöhen. Eine neue Generation der NSAR, Cox2-Hemmer, sind zwar magenschonender, dafür erhöhen sie das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko und sind weitgehend wieder vom Markt genommen worden. Auch ASS wird in der Rheumatherapie verschrieben. Der isolierte Wirkstoff greift bei langfristiger Anwendung ebenfalls die Magenschleimhaut an.
Rheuma wird als Oberbegriff verwendet für zum Teil sehr unterschiedliche Erkrankungen. Sie gehen meistens mit Schmerz und Bewegungseinschränkungen einher. Verschiedene Hauptgruppen werden unterschieden, wobei die degenerativen Erkrankungen wie Arthrosen am häufigsten vorkommen. Weitere Erkrankungen: Die entzündliche Gelenkerkrankung oder rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis), die entzündliche Wirbelsäulenerkrankung Morbus Bechterew. Zur weichteilrheumatischen Erkrankung wird die Fibromyalgie gezählt, bei der Muskeln wie Sehnen schmerzen. Osteoporose und Gicht gehören zu den Stoffwechselerkrankungen. [1]

Breite Wirk-Palette

Für Menschen, mit leichten bis mittelschweren rheumatischen oder Gelenk-Beschwerden besteht die Möglichkeit, auf Weidenrinden-Extrakte auszuweichen (Assalix®, Arkocaps®). So wird in der Monographie der ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) Weidenrinden-Extrakt für diese Indikation empfohlen. Die vorgeschlagene Tagesdosis liegt bei 240 Milligramm Salicin/Tag. Sie ist damit höher als die Empfehlung der Kommission E vom Bundesamt für Gesundheit (Deutschland), die bei Extrakten maximal bei 120 Milligramm/Tag liegt. Im Unterschied zu den synthetischen nicht-steroidalen Antirheumatika besitzt der Weidenrindenextrakt ein breiteres Wirkungsspektrum bei geringeren Neben- oder Wechselwirkungen. Es wirkt antientzündlich und hemmt unter anderem ein Enzym (COX = Cycloxygenase), dass wesentliche Entzündungsprozesse biochemisch unterstützt. Die komplexe Zusammenwirken der unterschiedlichen Wirkstoffe der Weidenrinde ist noch nicht geklärt. Es wird vermutet, dass zum Beispiel die Flavonoide (Naringenin, Catechin, Eriodictyol) auch bei der Entzündungshemmung nicht unwesentlich beitragen. Eindeutig ist jedoch, dass im Gegensatz zu der synthetischen ASS beim pflanzlichen Weidenrinde-Einsatz keine Reizung der Magenschleimhaut auftreten. Bei gelegentlich auftretenden Überempfindlichkeiten wie Übelkeit oder Magendruck wird angenommen, dass diese durch Gerbsäure ausgelöst werden. Die Hemmung der Blutgerinnung ist geringer als bei dem Einsatz von Acetylsalicylsäure, wodurch unerwünschte Blutungen nicht vorkommen. Allerdings kann es auch bei dem Phytopräparat zu allergischen Reaktionen kommen bei Menschen die schon auf geringe Salicylat-Mengen reagieren.

Verbesserte Lebensqualität

Die Schmerzlinderung in der Rheumatologie wurde durch verschiedene Studien belegt. Reinhard Saller und andere untersuchte beispielsweise am Institut für Naturheilkunde, Zürich, einen Weidenrinden-Extrakt unter Praxisbedingungen in der Schweiz. An der Studie nahmen 204 Ärzte teil, die den Extrakt an 763 Patienten mit unterschiedlich rheumatisch bedingten Schmerzen verordneten [2]. Die Studiendauer erfolgte über 6-8 Wochen. Über den Zeitraum wurden Daten über Schmerzintensität, Beeinträchtigung im täglichen Leben oder eine übergreifende Beurteilung von Wirksamkeit und Verträglichkeit erhoben. Zusammenfassend stellte Saller dar, dass der untersuchte Weidenrinden-Extrakt insgesamt gut vertragen wurde und keinerlei unerwartete Nebenwirkungen auftraten. Die Lebensqualität verbesserte sich bei 27,3 Prozent der Patienten. 4,3 Prozent berichteten von unerwünschten Nebenwirkungen des Verdauungssystems (3,1%) und der Haut (1,6%). Der Extrakt besitzt eine moderat analgetische Wirksamkeit bei Rückenschmerzen, Weichteilrheuma, entzündlichen Gelenkerkrankungen und Arthrose.

Gegen Rücken- und andere Schmerzen

Inhaltstoffe der medizinal verwendeten Weidenarten:

In der Naturheilkunde sind folgende Arten vertreten: Salix alba LINNE, S. fragilis L., S. pentandra L., Salix purpurea L., S. daphenoides VILLARS u.a. Als ihre Hauptinhaltsstoffe gelten Salicylalkoholglykoside ( Salicin, Salireposid, Salicortin, Fragilin, Picein u.a. ), Flavonoide, Phenolcarbonsäuren und Gerbstoffe. Wirkweise: Das Salicin wird im Darm zu Salicalalkohol und Glucose gespalten und dann in der Leber zu Salicylsäure ( C7 H6 O3, 2-Hydroxybenzoesäure ) umgewandelt.
Eine Vergleichsstudie (1999) wurde mit 451 Patienten mit akuten Rückenschmerzen an der Universität Frankfurt von Sigrun Chrubasik und Kollegen durchgeführt [3]. Die Patienten erhielten aufgeteilt in drei Gruppen entweder ein Weidenrindenrinden-Präparat (240 Milligramm Salicin als Monotherapie oder Cotherapie mit NSAR, n=112), ein Weidenrinden-Präparat (120 Milligramm, n=115) oder konventionelle Therapie mit synthetischen NSAR, Nervenblockaden, manuelle Therapie, Elektrotherapie (n=224). Die Gruppe, die 240 Milligramm Weidenpräparat erhalten hatte, zeigten die besten Behandlungsergebnisse. Die Schmerzfreiheit wurde mit dem Arhuser Rückenschmerz- und globalen Schmerzindex erfasst (Vergleichsmaßstab für Schmerzen beim Sitzen, Stehen, Gehen, Liegen während der Nacht). Das Weidenrinden-Präparat wurde gut vertragen, überdies war diese Behandlungsform wesentlich kostengünstiger als die der Vergleichsgruppe mit NSAR.

Weidenrinden-Extrakte können auch noch bei anderen Schmerzformen Kopfschmerzen, Schmerzen nach Operationen oder fieberhaften Erkältungen helfen. Die schmerzlindernde Wirkung tritt je nach Chronizität der Schmerzen mehr oder weniger schnell ein. Bei akuten Schmerzen kann allerdings keine sofortige Schmerzfreiheit erzielt werden.

Signaturenlehre am Beispiel der Weide

Paracelsus gilt als Vater der Signaturenlehre. Seine grundlegende Idee war, dass Gott dem Menschen für jede Erkrankung auch eine Heilpflanze zur Verfügung stelle. Der Mensch müsse nur die Zeichen (Signatur) erkennen. Also suchte der er bei seinen Betrachtungen von den Entsprechungen äusserer Eigenschaften (Gestalt, Farbe) bei Pflanzen oder Mineralien auf deren mögliche Arznei-Wirkungen zu schliessen. Im Sinne Paracelsus kann also gesagt werden: Gott lässt die Weide als Heilmittel neben der Quelle des Übels wachsen. Denn schliesslich gedeiht sie am Ufer von Gewässern, deren feuchtes Klima Rheumatismus entstehen lässt... 

Kaum eine andere Pflanze benötigt Wasser so zum Überleben wie die Weide. Sie kann sogar „bis zu den Knien darin stehen“ ohne zu verfaulen. Im Mittelalter wurde sie deshalb als Mittel gegen „nasse Füsse“ also Erkältungskrankheiten verabreicht.

Albertus Magnus (Theologe, Naturforscher um 1200 n. Chr.) sah in ihrer wässrigen Eigenart die Möglichkeit, sexuelle, überbordende Triebe abzukühlen. Nun ist Wasser seit jeher auch das bildhafte Element für menschliche Gefühle („jemand hat nahe am Wasser gebaut“). In der Gefühlswelt ist der Schmerz eine eindrückliche, bedrohende, warnende Sinnesempfindung, der im Falle des Rheumatismus als chronisches Entzündungszeichen die Lebensqualität stark einschränkt. Aulus Cornelus Celsus (25 v. Chr.) beschrieb als erster die noch heute gültigen Zeichen der Entzündung, unter denen Rheumatiker leiden: Calor (lat. Hitze), Rubor (lat. Hautröte bei Entzündung), Tumor (lat. Schwellung) und Dolor (lat. Schmerz). Galen (130 – 201 nach Christus) ergänzte sie mit der Funktionseinschränkung (lat. Functio laesa).


Die Wirkstoffe der wasserliebenden Weide helfen nun im Sinne des Celsus, das Feuer der rheumatischen Entzündung aus den Gelenken zu vertreiben: 

Wie die Feuerwehr, löscht ihr Wasser das Feuer in den Gelenken. Die Weidenwirkstoffe machen Gelenke wieder funktionsfähig (den biegsamen Weidenzweigen gleich), indem Wasseransammlungen des Körpers (Ödeme) reguliert und die entzündlichen Schwellungen aufgelöst oder abgemildert werden. Das gleiche passiert mit dem Schmerz, der nun seine Warnfunktion verlieren kann.

Quellen: 1. www.rheuma-liga.de Fakten über Rheuma PDF
2. Saller R, Melzer J, Felder M: Pain Relief with a Proprietary Extract of Willow Bark in Rheumatology. An Open Trial. Aus Schweizerische Zeitschrift für GanzheitsMedizin 2008; 20 (3): 156-162, Verlag für Ganzheitsmedizin, Basel.
3. Chrubasik S, Künzel O, Acker A: Potential economic impact of using a proprietary willow bark extract in outpatient treatment of low back pain. Aus The American Journal of Medicine. Vol. 109, No 1, 1 July 2000, pp 9-14.





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